Das fünfzigjährige Jubiläum unseres Verbands verdient es, einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen und einen zweiten Blick auf die Zukunft – das zweitgenannte ist noch wichtiger. Stellen Sie sich vor: Eine Gruppe von Journalisten und Verlegern gründet eine Vereinigung der Profis, und dies ohne gewerkschaftliche Absicht. Als Reaktion auf das Existierende, das ihnen zu zielgerichtet erschien, was mit kleinen Personenkonflikten verbunden war. Vergessen wir diese Zeiten; andere Zeiten, andere Sitten. Der Kontext der Medien glich einer andern Landschaft, war ganz anders. Eine grosse Zahl von Zeitschriften bot sich dem Publikum an. Einige waren eng mit politischen Parteien verbunden. Tagezeitungen, Wochenzeitschriften und Magazine deckten eine grosse Zahl von Interessen ab. Die Lokalradios existierten noch nicht und es gab keine regionalen Fernsehsender. Die Medienlandschaft bestand aus der gedruckten Presse. Radiohören und Fernsehen war gebührenpflichtig. Journalisten hatten die Wahl. Viele Verleger und sehr unterschiedlich gesinnte Redaktionen erlaubten es, sich eine grosse Erfahrung anzueignen. Sich an dies zu erinnern ist nicht mit Nostalgie verbunden.
Die Zeiten ändern sich. Die Gewohnheiten entwickeln sich. Die Diversifikation bleibt, aber in neuer Gestalt. Mehr oder weniger rasch verändern sich die Verhaltensweisen. In der Nähe seines Arbeitsplatzes zu wohnen ist nicht mehr wichtig. Die Transportmittel haben sich vervielfacht. Da kommen noch die kleinen und grossen «Revolutionen» dazu. Es entstanden Radio- und TV-Sender in der Nähe der Bürger jedes Kantons und jeder Stadt. Dazu kamen auch noch regionale Sender. Das war schon eine unverhoffte, andere Wahlmöglichkeit. Vor kurzem wurden die Karten durchs Internet neu gemischt. Zuerst beschränkt auf die Computer, schliesslich aber in allen Taschen und Säcken. In dieser Entwicklung hat die Diversifikation der Information nicht aufgehört. Das Verschwinden einer unzählbaren Menge von Tageszeitungen, Wochenzeitungen, allgemein informierender und spezialisierter Monatszeitschriften, also ein umfangreiches Repertoire. Überlassen wir das besser den Historikern.
Richten wir unsern Blick auf die Gegenwart, wo sich weitere Gefahren von Zusammenlegungen von Titeln ankündigen, das Aus für andere. So traurig dies auch sein mag, wir müssen unsern Blick anderswohin richten: Auf die Information. Wir sind uns wohl einig darüber, dass die Mehrheit von uns die Augen auf einen Bildschirm richtet, wann immer möglich einen tragbaren, denn da findet die spektakulärste Veränderung statt. Informationsplattformen entstanden, zum Teil kostenlos erreichbar, andere gegen Bezahlung. Es ist noch zu früh um zu wissen, welche ökonomischen Modelle überleben werden. In dieser Situation tiefgreifender Veränderungen blieb die Rolle der Journalisten unverändert. Allerdings sind ihre Werkzeuge neu und die Fristen kürzer. Wir kommen 2021 in eine gesundheitliche Krise, die viele neue Fragen stellt. Sie enthüllt ein verwirrendes Element für unsern Beruf: Den Verlust des Vertrauens, dessen Bedeutung wir noch nicht abschätzen können. Das Vertrauen in die Wissenschaft ging verloren, die Politiker schüren das grösste Misstrauen, die unterschiedlichen Ansichten sind gewaltig und Bürgerinnen und Bürger wissen nicht mehr, wem sie glauben sollen. Die sozialen Medien verbreiten alle Varianten. Wem kann man glauben? Wer kann da schon Ordnung schaffen? Selbst die am besten etablierten Medien lassen zunehmend Zweifel aufkommen. Über alles wird diskutiert, alles wird hinterfragt. Es sind nicht die Radiosender und öffentlichen Fernsehsender, die den Nebel über dieser Situation lichten könnten. Niemand glaubt noch was.
Werfen wir den Blick nicht mehr auf die Gegenwart, sondern auf die Zukunft. Das Fünfzigjahr Jubiläum feiern heisst, gegründet auf der Vergangenheit die Augen zu öffnen für das, was kommt. Wir erleben eine grosse Herausforderung: Die Suche nach der Wahrheit, begleitet von Erkenntnis: Niemand kennt sie. Für die Journalisten, besonders für die Praktikanten wird die grösstmögliche Bescheidenheit zwingend. Kein Mensch, nichts kann Gewissheiten schaffen. In diesem Kontext wird es wichtig, herausfordernd, sich zu distanzieren und nicht die eigene Wahrheit zu predigen, sondern die Gesamtheit der Fakten und deren Quellen zu nennen. Es steht im übrigens fest, dass jedermann die Informationen und Meinungen sammelt, die ihm passen - und sich seine eigene Meinung schmiedet. Kein Medium hat die Wahrheit gepachtet. Die Ungewissheit öffnet einen neuen Weg: Journalisten werden Reiseführer in der Welt der Informationen. Die Kompliziertheit hat nichts Negatives, sie bedeutet, dass die Medienverantwortlichen als Orientierungshelfer dienen können, dies in mit aller Bescheidenheit. Transparenz und Klarheit wird verlangt. Dies ist keine kleine Herausforderung, auch eine Leidenschaft.
Gil Egger, Präsident